Louise Lang
Louise Lang im Gespräch mit Studio Asam
Louise Lang ist eine Reisende. Eine Woche, nachdem sie 2012 ihren Gesellenbrief in der Hand hielt, machte sie sich mit ihrer Kollegin Franca Tasch auf den Weg rund um den Glasglobus. Zwei Jahre und unzählige Stationen später kehrte sie wieder heim und brauchte doch unendlich lange, um wieder anzukommen. Und der Moment des Reisens, des Gebundenseins an ein Vehikel, das einen von A nach B trägt, dessen Schnelligkeit die Landschaft verschwimmen lässt, und auf dem die Gedanken wie auf Wellen surfen, begleitet sie immer noch. Louise Lang ist Glasmacherin. Da sie kein Studio mit einem Glasofen besitzt, hat sie sich mit einer Gruppe freier Kunsthandwerker*innen zusammengeschlossen, die sich in verschiedene Studios einmieten. Stundenlang fährt sie ihren Transporter durch Deutschland, bevor ihre Arbeit mit dem glühenden Glas beginnt. Das hier ist ein Reise-Gespräch:
Sechs Stunden fahren Sie heute durch die Nacht. Ist das anstrengend für Sie?
Nein. Ich brauche die Bewegung. Früher hat es mich an unbekannte Plätze gezogen, heute sind es eher bekannte Orte, die ich immer wieder für meine Arbeit besuche. Aber ich brauche das. Ich lebe dann reduziert, und das tut mir gut.
Ihre zweijährige Reise von 2012 bis 2014 haben Sie Weiberwalz getauft. Sie haben die Welt bereist und die Glasbearbeitung auf der ganzen Welt studiert. Jetzt ist Ihr Radius viel kleiner. War das kein krasser Schnitt?
Die Reise war supertoll. Und genauso war sie auch extrem. Es gab Höhen und Täler. Es hat lange gedauert, bis ich alles verarbeitet hatte, und das Reflektieren darüber dauert bis heute an. Es hat auch lange gedauert, bis ich wieder angekommen bin. Aber dann habe ich mich dazu entschieden zu bleiben. Ich habe mir zwei Jahre lang Dinge angeschaut, Techniken studiert, und irgendwann wollte ich nicht mehr nur betrachten, sondern was machen.
Sie haben sich einen sehr umfassenden Eindruck machen können von den Bewegungen und Traditionen des Glasmachens. Was sind Ihre Erkenntnisse?
Die Technologie bleibt dieselbe. Da ist diese archaische Hitze, die Werkzeuge, das Rohr, die Pfeife, die Metallstäbe, die Scheren, das nasse Holz, der Ofen. Da, wo mehr Geld ist, ist die Spezialisierung höher, da, wo weniger Geld ist, ist Arbeitsschutz ein Fremdwort. Die Arbeitsweise ist gleich, aber die Mentalität ist anders. In den USA betreibt man das Glasmachen fast wie einen Sport. In Europa gibt es noch Glasschulen, in Amerika muss man viel Geld in Kurse und Sommerschulen investieren. In Europa hat das alles noch einen viel industrielleren Touch. Wir verwenden Holzformen, auch in Schweden und Tschechien ist das normal. In den USA wird viel mehr frei Hand gearbeitet. In Australien arbeitet man viel kunstvoller wie in Europa, und in Japan ist man detailversessen. Dort wird alles zur Perfektion getrieben, und dann werden künstlich Fehler eingebaut, damit es ein menschliches Maß gibt.

Foto: Carolin Schüten
Mich fasziniert eigentlich der Fehler, das Scheitern, der Bruch. Zu meiner Arbeit gehören Blasen und Werkzeugspuren. Der Fehler ist das, was den Gegenstand wieder nah an das menschliche Leben bringt.
Was davon ist in Ihre Arbeit übergegangen?
Das Bienenwachs, mit dem man meine Strukturvasen behandeln kann, ist mein Australien-Move: In Australien wird zum Schleifen ein Polierschleifgerät benutzt, das man über das Objekt fahren lassen kann, statt das Objekt an einem festen Gerät zu bearbeiten, wo man nicht genau sieht, was man macht. Diese Technik habe ich übernommen, denn so kann ich das Werkstück sehen, während ich es bearbeite. So kann ich auch endlich Ecken und Kanten definieren. Wenn man Glas schleift, dann wird die Oberfläche weiß. Das Bienenwachs macht sie wieder weich und durchsichtig. So eine Versiegelung kann man auch chemisch herstellen, aber das Bienenwachs ist ein natürlicher Rohstoff, der sowieso beim Glasmachen verwendet wird. Das hat mir sehr gut gefallen.
Seit 2015 sind Sie zum Studium der Freien Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Ihre Ausbildung bewegt sich vom Handwerk, zum Kunsthandwerk, zur Freien Kunst.
Am Anfang habe ich das gar nicht getrennt. Mir war das egal. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das bei vielen anderen in der Szene nicht so ist. Jede Bezeichnung hat ihre Gefahren. Die Kunst wird schnell zu intellektuell, das Kunsthandwerk wird verschlossen und stur, und das Handwerk historisch eingekapselt. Es ist traurig und schön gleichzeitig, wenn man sieht wie versucht wird, die Kultur im Museum zu bewahren, und gleichzeitig ist das Quatsch. Das hilft der Szene nicht weiter. Ich bin pragmatisch, ich nehme alle Begriffe an und wechsele zwischen den Disziplinen. Das eine bedingt das andere. Zum Beispiel beschäftige ich mich viel mit Glasfolie. Die entsteht beim Glasmachen als Abfallprodukt. Gleichzeitig ist ihr Entstehen ein spannender Moment. Denn je dünner das Glas ist, desto stärker und tiefergehend muss das Gefühl, die Intuition sein, damit es nicht bricht. Diese Prozesshaftigkeit finde ich faszinierend. Aber natürlich ist auch die Freie Kunst überhaupt nicht frei. Sie bewegt sich nicht nur auf der geistigen Ebene. Auch Künstler müssen leben und Geld verdienen.
Alle müssen das. Der kaufmännische Aspekt ist Teil der Arbeit. Wenden wir uns zum Schluss nochmal dem kreativen Teil Ihres Schaffens zu: Welche Fragestellungen bewegen Sie zur Zeit am meisten?
Glas ist einer der ersten Rohstoffe, die der Mensch selbst gemischt hat. Dieser Werkstoff ist so facettenreich, innovativ und archaisch. Glas ist ein Luxusprodukt, das für uns selbstverständlich geworden ist. Wir stellen Scheiben, optische Linsen oder Glasfaserkabel her. Der Weg zu seiner Gestaltung ist so wahnsinnig kompliziert, und dann auf einmal wird es so einfach. Wenn man die richtige Mischung kennt, wird es brillant, hat eine große Strahlkraft oder bricht das Licht. Mich fasziniert eigentlich der Fehler, das Scheitern, der Bruch. Zu meiner Arbeit gehören Blasen und Werkzeugspuren. Der Fehler ist das, was den Gegenstand wieder nah an das menschliche Leben bringt.