Christine Wagner
Christine Wagner im Gespräch mit Studio Asam
Klare Formen, grobkörniger Ton, feinstrukturierte Oberflächen. Die Keramik von Christine Wagner hat eine eigene Formensprache. Ihr gelingt es, die formale Strenge, die sich aus den geometrischen Grundformen ergibt, durch Haptik und Textur so zu bearbeiten, dass die Gefäße wirken, als wären sie von der Natur bearbeitet. Farben und Formen erinnern an Landschaften, in denen der Mensch noch nicht die Oberhand gewonnen hat, und deren Rhythmus man sich anpassen darf.
Wer Ihre Biographie betrachtet, bleibt sofort bei Ihrer Ausbildung hängen: Sie haben Ihre Keramikausbildung in Japan absolviert. Wie kam es dazu?
Ich hatte mir nach dem Schulabschluss schon überlegt, dass es in Richtung Kunst und Akademie gehen soll. Mein damaliger Freund hatte ein DAAD-Stipendium in Japan. Ich habe ihn mit einem Koffer für einen kurzen Aufenthalt besucht und bin dann erst drei Jahre später wieder nach Hause gekommen. In Japan habe ich so viele schöne Dinge gesehen. In den großen Kaufhäusern gab es riesige Ausstellungsbereiche für Keramik. Die waren fantastisch. Es war eindrücklich für mich, welcher Fokus dort auf die gestaltete Handwerkskunst gelegt wird. Das waren hochpreisige Sachen. Da gab es Teeschalen für 300.000 Mark, und die waren ausverkauft.
Das müssen sehr schöne Objekte gewesen sein.
Ich war überrascht von der Vielfalt. Ich kannte das europäische Service, aber dort in Japan gab es ganz unterschiedliche Schalenformen. Dazu kam natürlich noch der Einfluss aus China und Korea.
Wie sind Sie an diese Ausbildungsstelle gekommen?
Ich habe eine sehr nette Familie kennengelernt, bei der ich ein Häuschen gemietet habe. Mit Frau Tsuda habe ich mich sehr gut verstanden, obwohl wir am Anfang nur mit Händen und Füßen kommuniziert haben. Sie hat mir geholfen, einen Meister zu suchen, und ein Jahr später ist uns das auch gelungen.
Wie war das für Ihren Meister, eine deutsche Frau zu beschäftigen?
Mein Meister Herr Sasaki kannte den deutschen Kultur-Attaché und war auch schon in Südfrankreich und Deutschland gewesen. Ich nehme an, dass das die Tür geöffnet hat. Er hatte eine Vorstellung davon, wie europäische Keramik aussieht. Zudem muss ich auch sagen, dass es üblich ist, für diese Ausbildung einen gewissen Geldbetrag zu bezahlen und das haben meine Eltern übernommen. Trotzdem war es ein Risiko für ihn, denn ich konnte ja so gut wie gar nichts.
Was für Keramik haben Sie dort gefertigt?
Wir haben Teegeschirr und Keramik für den täglichen Gebrauch hergestellt. Die Kunden kamen aus Kyoto, wir hatten auch oft Besuch von Zen-Mönchen. Zudem wurden die Sachen ausgestellt.

Mir geht es darum, die Flächen zu verdichten und wieder zu öffnen. Ich male keine Bilder, aber mein Ziel ist es, dass die Oberfläche eine Einheit zusammen mit der Form bildet.
Die Rückkehr nach Deutschland muss ein Kulturschock gewesen sein.
Eigentlich wollte ich nach meiner Rückkehr gleich an die Kunsthochschule nach Linz. Das ging aber erst ein Jahr später. Mein späterer Professor hat mir geraten, meine Lehre zu beenden und mir hier eine Keramikwerkstatt zu suchen. Ich habe bei einem Keramiker in Landshut einen Platz gefunden, der unter anderem Bierkrüge für die Landshuter Hochzeit hergestellt hat. Da gab es dann in der Mittagspause Leberkäsesemmeln und Kartenspiele, während wir in Japan feinsten Tee und exquisite Süßigkeiten aus dem ganzen Land zu uns genommen haben. Womit ich aber nicht sagen will, dass in Japan alles so einfach war. Von mir wurde nach einiger Zeit erwartet, dass ich auch die ungeschriebenen Regeln beherrsche. Ich musste mich also ständig in die Situation hineinspüren, und das war dann in Deutschland nicht mehr so nötig.
Wie haben Sie Ihr Studium empfunden?
Es war wahnsinnig wichtig. Ich hatte den Raum, meine Eindrücke zu verarbeiten und zu überlegen, was ich wirklich will.
Was ist dabei rausgekommen?
Ich habe 1989 mein Atelier in München gegründet. Da kamen die geometrischen Formen. Ich fand den Kubus interessant, weil er vier Seiten hat, die ich gestalten kann im Gegensatz zu einer runden Form. Meine Vasen sind Objekte und Behälter gleichzeitig, sind also nicht nur Gebrauchsgegenstände. Runde Formen habe ich dann später wieder für mich neu entdeckt, sie folgen der Gesetzmäßigkeit der Rotation der Töpferscheibe und bieten wiederum ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten als die gebauten Formen.
Wie bearbeiten Sie die Oberflächen?
Die Vasen baue ich mit Tonplatten zusammen, davor lege ich die Struktur der Oberflächen an. Manchmal setze ich dann oben noch schmale Streifen auf, um die Öffnung der Vasen zu verkleinern. Die Oberfläche bearbeite ich mit Ritzlinien oder kleinen Stempeln. Mir geht es darum, die Flächen zu verdichten und wieder zu öffnen. Ich male keine Bilder, aber mein Ziel ist es, dass die Oberfläche eine Einheit zusammen mit der Form bildet. Oft bildet das Material selbst schon durch die Körnung im Ton kleine Fehler, die eine interessante Struktur ergeben.
Sie arbeiten mit sehr naturnahen Farbtönen.
Ich mag durchaus auch farbige und glasierte Keramiken, aber dann ist der Ton nicht mehr sichtbar. Mir geht es aber um die Struktur und Oberfläche, deswegen bin ich auch weg von glänzenden Glasuren. Ich habe mich für einen Gasbrennofen entschieden. Er bietet die Möglichkeit, die Atmosphäre im Ofen individuell zu steuern, das ist in einem Elektroofen nicht möglich. Ich nutze die Möglichkeit der Reduktion des Sauerstoffs. Diese schmauchige Atmosphäre setzt einen chemischen Prozess in Gang, der die Tonfarbe je nach Zusammensetzung in dunkles Grau oder beige verwandelt.
Ihre Arbeiten wirken wie Gegenstände, die lange von der Natur geformt wurden.
Die Vergänglichkeit ist etwas, das in die Jetztzeit passt. Die Gefäße werden zum Erinnerungsspeicher, der unsere Herkunft bewahrt. Nicht, dass ich dahin zurückwill. Aber ich möchte dafür ein Bewusstsein schaffen. Diese Stimmung fasziniert mich.
Vita
Auszeichnungen
Arbeiten in privaten und öffentlichen Sammlungen
Die Neue Sammlung, Pinakothek der Moderne, München
Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg
Bayerische Staatskanzlei München
Peter Siemssen Stiftung, Wesenberg / Ratzbek
Private Sammlungen